B S O I [ Smart Agriculture ] r e f o h n u a r F www.iosb.fraunhofer.de ISSN 1616-8240

Editorial Liebe Freunde des Fraunhofer IOSB, wie gewinnen wir in der Zukunft qualitativ hochwertige Lebensmittel für alle Menschen der Erde? Wie können wir die landwirtschaftlichen Prozesse so gestalten, dass diese auch den ökologischen Rahmenbedingungen genügen? In dieser Ausgabe der Themenbroschüre visIT werden die Lösungsansätze des Fraunhofer IOSB vorgestellt, die zur Beantwortung dieser Fragen beitragen. Das Essay verdeutlicht eindringlich die Notwendigkeit, die Digitalisierung in der Landwirt­ schaft zu verfolgen, um eine Balance in den konträren Zielen der beiden Einstiegsfragen zu erzielen. Hierzu werden Technologien erforscht, die über die komplette Wertschöpfungs­ kette (Feld, Ernte, Lagerung, Produktion, Logistik, Handel, Verbrauchende) hinweg die Landwirte unterstützen. Neue Ansätze in der Robotik, der Sensorik und der Datenverar­ beitung erlauben es, innovative Lösungen in der kompletten Food­Chain anzubieten. Der erste Beitrag beschäftigt sich mit der drohnenbasierten Erfassung von Bodenpara­ metern. Die Messungen einer mitgeführten Hyperspektralkamera werden zur Ableitung von flächendeckenden Bodenparameterkarten genutzt, die Landwirte bei der individuellen Düngung unterstützen können. Prof. Dr.­Ing. habil. Jürgen Beyerer Institutsleiter Der zweite Beitrag stellt eine vom Fraunhofer IOSB konzipierte Smart­Vision­Box vor, die auf eine Erntemaschine integriert werden kann und eine zielgerichtete Aberntung im Weinbau ermöglicht. Zudem können kranke von gesunden Rebstöcken unterschieden werden, was die Qualität des Lesegutes erhöht. Die vom Feld geernteten Produkte können dann in der Stufe der Anlieferung nachsortiert werden. Ziel ist es hier, Fremdkörper zu entfernen und zudem nach Qualitäten zu sortieren. Im Beitrag wird dieser Ansatz am Beispiel der Weintraubensortierung aufgezeigt – hier werden beispielsweise pilzbefallene Beeren erkannt und ausgeschleust. Im vierten Beitrag werden Ansätze zur Absicherung der Lebensmittelkette vorgestellt. Hierzu werden Lebensmitteltransportbehälter mit integrierten Temperatur­, Feuchtigkeits­, Positions­ und Beschleunigungssensoren ausgestattet, so dass bessere Haltbarkeits­Modelle für temperaturempfindliche Lebensmittel erstellt werden können. Prof. Dr.­Ing. Thomas Längle Im Handel und bei Endverbrauchenden kommen neuerdings Sensoren zum Einsatz, die es erlauben, eine Aussage über die Qualität und Frische von Lebensmitteln zu bestimmen. Somit kann einerseits ein variabler Preis vom Handel zum Abverkauf ermittelt werden, Endverbrauchende können andererseits mit gleichen Ansätzen im eigenen Haushalt die Frische prüfen. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und sind gerne bereit, auf Ihre Fragen zur Qualitätsprüfung von Lebensmitteln sowie im Bereich der kognitiven Landwirtschaft einzugehen und die passenden Prüfsysteme zu konzipieren. Und falls Sie es wünschen, realisieren wir diese auch für Sie. Fraunhofer IOSB, im März 2021 Prof. Dr.­Ing. habil. Jürgen Beyerer Prof. Dr.­Ing. Thomas Längle vis IT 3 Smart Agriculture

die Vor­Ort­Bewertung des Beerenzustandes mit einem Handsensor. Andererseits er­ forscht das Fraunhofer IOSB Sensoren, die direkt in den Tank des Erntefahrzeuges in­ tegriert werden können und es erlauben, parallel zur Ernte bereits Qualitätsaussagen abzuleiten. So können in der Traubenanlie­ ferung Chargen gezielt kombiniert, Warte­ zeiten minimiert und Arbeitsabläufe besser strukturiert werden. Der Anbau von Lebensmittel, jedoch nicht im Freien sondern vielmehr unterkontrol­ lierten Bedingungen, wird im Fraunhofer­ Leitprojekt »FutureProteins« verfolgt. Ziel ist es u. a., geschlossene und nachhaltige Anbausysteme zu entwickeln, um Lebens­ mittel mit optimiertem ernährungsphysio­ logischem Profil und hoher Verbraucher­ akzeptanz zu gewinnen. Hierfür wird die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Aufnahme von Weinreben mit einer Multispek­ tralkamera. In der Ellipse ist der normierte diffe­ renzierte Vegetationsindex (NDVI) zu sehen. Der NDVI ist ein Indikator zur Photosyntheseaktivität der Pflanze und kann die frühzeitige Erkennung von Krankheiten und Nährstoffmangel unter­ stützen. Lebensmittel­Qualität bestimmt durch den Food­Scanner des Fraunhofer IOSB. fertigen Lebensmittel in geschlossenen Produktionssystemen abgebildet. Durch neue Anlagenkonzepte und Automatisie­ rungslösungen und durch Nutzung aller Rohstofffraktionen können die geschlosse­ nen Systeme kosteneffizient und nachhaltig gestaltet werden. Ähnliche Ideen werden in anderen Projekten beim Fraunhofer IOSB im Bereich der Fischzucht umgesetzt: Sie erlau­ ben eine kontrollierte, nachfolgegesteuerte Lebensmittelproduktion, unabhängig von den vor Ort bestehenden klimatischen Bedingungen. Die Qualität unserer Lebensmittel kann zudem durch eine gezielte Aussortierung minderwertiger Bestandteile bzw. Reinigung von Fremdkörpern gesteigert werden. Die stetige Weiterentwicklung der Sensorik so­ wie die KI­basierte Fusion der Sensordaten kann auch hier zu einer völlig neuen Qua­ lität des Sortierergebnisses führen, so dass Lebensmittelabfälle reduziert werden. Neue, tragbare Sensoren sorgen ebenfalls für eine Reduktion der Lebensmittelverschwendung: mit diesen kann das Verkaufspersonal die Produkte direkt in den Märkten mit einem »dynamischen Preisschild« versehen und Chargen gemäß der Reife anbieten. Später können Verbrauchende zu Hause die Frische der Lebensmittel mit ähnlichen Sensoren bewerten. In Analogie zur Industrie 4.0 sollen somit digital unterstützte landwirtschaftliche Pro­ zesse flexibler, kostengünstiger, ressourcen- und umweltschonender gestaltet werden können. Die hier aufgeführten Lösungen sowie die technologischen Fortschritte sind lediglich Beispiele der Technologisierung in der Landwirtschaft – richtig genutzt haben sie aber allesamt das Ziel, die Menschheit mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen, und berücksichtigen gleich­ zeitig ökologische und ökonomische Rahmenbedingungen. vis IT 5 Smart Agriculture

HYPERSPEKTRAL-SENSORIK UND DROHNEN: TIVE FÜR DIE BODEN BEWERTUNG DER SMARTEN Hyperspektral­Fernerkundung zu bewerten. Durch die geringe Flughöhe der Drohne wird eine ausreichend präzise Auflösung der Sensoraufnahme gewährleistet und trotzdem eine hohe zeitliche und räumliche Flexibilität garantiert. Mit der wachsenden Leistungsfähigkeit von Drohnen und der Etablierung des autonomen Fliegens steigt gleichzeitig die Praxistauglichkeit moderner UAV. Das Prinzip der Hyperspektral­Ferner­ kundung beruht auf folgender Grundlage: Gewöhnliche (Multispektral­)Kameras sind im Bereich der sichtbar reflektierten Son- nenstrahlung sensitiv. Aufwändigere Kame­ ras zeichnen mitunter auch nahinfrarote oder thermale Signale auf. Bei einer Hyper­ spektral­Kamera hingegen wird der gesamte Wellenlängenbereich des sichtbaren, nah­ und kurzwellig Infrarot reflektierenden Lichts gemessen. Dabei stehen dem Sensor nicht nur drei oder mehr Kanäle zur Verfü­ gung (wie bei einer normalen Handy­/RGB­ Kamera), sondern mehrere hundert bis tausend Kanäle. Das daraus resultierende Reflexionsspektrum bildet eine spektrale Signatur, die objekt- und materialspezifisch ist. BIO-MONITORING DURCH FERN- ERKUNDUNG Dieses Prinzip gilt auch für Böden: Je nach Nährstoffgehalt, Feuchte, Korngröße, Humusgehalt usw. verändert sich die spektrale Signatur, die es zu messen und interpretieren gilt. Die Schwierigkeit der bodenkundlichen Hyperspektral­Ferner­ kundung liegt darin, dass nicht nur die Bodeneigenschaften selber die spektrale Signatur beeinflussen, sondern auch externe Faktoren wie die Atmosphäre, was zu einer Überlagerung der spektralen Eigenschaften führt. Zusätzlich müssen im Millisekunden­ Bereich die Flugbewegungen aufgezeichnet werden, um die daraus resultierenden Verzerrungen im Luftbild zu korrigieren und eine pixel­genaue Geokoordinaten­ Zuordnung zu ermöglichen. Unter Einsatz multivariater Statistik oder Künstlicher Intelligenz werden aus den spektralen Daten Korrelationen mit den bodenkundlichen Parametern hergestellt. Wird der Zusammenhang zwischen spek­ traler Signatur und Bodeneigenschaft durch das Modell ausreichend gut abgebildet, ist eine Anwendung des Modells auf jeden Pixel der hyperspektralen Luftaufnahme möglich. Ziel ist es, eine digitale und maschinenlesbare Feldkarte zu erzeugen, bei der jeder Pixel einen zugeordneten Bodenparameter­Wert enthält. Weitere Information finden Sie bei der Gruppe Bildinterpretation unter www.iosb.fraunhofer.de/cognac DJI Matrice 600 Pro mit dem Hyperspektral­Sen­ sor Hyperspec Co­Aligned VNIR­SWIR im Einsatz. vis IT 7 Smart Agriculture

Abbildung 2: Traubenvollernter Reife genau zu bestimmen, sind weitere Parameter wie Säuregehalte erforderlich. Daher ist eine zerstörungsfreie Messme­ thode, welche im Rahmen von Routine­ tätigkeiten im Weinberg durchgeführt werden kann, ein wertvoller Beitrag für Winzerinnen und Winzer. Im Projekt DigiVine wird ein handgetragener Sensor im Hosentaschenformat entwickelt, welcher im Weinberg eingesetzt werden kann (Bild 1). Kernstück ist ein Nahinfra­ rot­Spektrometer im Chipformat auf Basis mikro­elektro­mechanischer Systeme (MEMS). Die Auswertung der Spektraldaten mittels KI­Methoden erfolgt über einen Cloud­ Dienst. Das Messergebnis wird direkt nach der Messung auf dem Smartphone angezeigt und in einer zentralen Feldkarte gespeichert. So kann aus den Daten der optimale Zeitpunkt der Weinlese geschätzt werden. Weinkellereien vorbehalten. Zudem ver­ zögert die Bestimmung der Qualitätspara­ meter den Anlieferungsprozess. Ein eingebettetes Spektrometer als Modul im Tank des Traubenvollernters (Bild 2) soll frühzeitig zuverlässige Qualitätsaussagen ermöglichen. In Kombination mit Ertrags­ messungen sollen die Traubenanlieferungen besser koordiniert werden können, indem Chargen gezielt kombiniert und Tank­ kapazitäten optimal geplant werden. Das System kann die Weinqualität sichern, indem ungeeignetes Lesegut frühzeitig erkannt und ausgesondert wird. Mit Hilfe der Erfassung im Feld kann die gesamte Planung bereits vor der Trauben­ anlieferung erfolgen, wodurch Wartezeiten minimiert und damit die Arbeitsabläufe im arbeitsreichen Herbst besser strukturiert werden. QUALITÄTSBESTIMMUNG VON TRAUBENMOST IM ERNTEFAHRZEUG Wichtige Qualitätsparameter des Trauben­ Mosts können erst bei der Anlieferung in der Kelterhalle durch spezialisierte Labore ermittelt werden. Diese Analysegeräte sind jedoch teuer und bleiben daher größeren KAMERABASIERTE ERKENNUNG VON GESUNDEM LESEGUT Krankheiten wie z. B. Pilzbefall können die Qualität der Trauben negativ beeinflussen. Durch Auswertung der Bilddaten in Echtzeit sollen gesunde Rebstöcke und gesundes Lesegut im Erntefahrzeug erkannt werden. Die Materialerkennung (chemical imaging) erfolgt durch bildgebende Spektroskopie mittels multi­ oder hyperspektraler Kam­ eras. Die Ergebnisse der kameranahen Bildverarbeitung in Echtzeit werden direkt an die Steuerung der Erntemaschine weiter­ geleitet. Unreife Trauben oder Beeren von kranken Rebstöcken gelangen durch die selektive mechanische Lese nicht in den Tank der Erntemaschine und verbessern so die Qualität. WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN Digitalisierung im Wertschöpfungsnetzwerk Weinbau: Von der Pflanzung bis zur Traubenanlieferung (DigiVine), Förderkenn­ zeichen: 28DE113B18 www.digivine.org Twitter & Instagram: @digi_vine vis IT 9 Smart Agriculture

sichtbar, wie weit die aktuell eingestellten Werte davon abweichen. Einfachste Stellgrößen: ƒ »Schärfe der Sortierung« für das Gut­Pro­ dukt (Traube) ƒ »Schärfe der Sortierung« für Störpartikel (z. B. Stängel) ƒ Farbe Wenn zum Beispiel zu viele gute Beeren aus­ geschossen werden (Übersortierung), muss nur der Regler für das Gut­Produkt in Rich­ tung »tolerant« bewegt werden. Analog verhält es sich für eingelernte Störstoffe. Eine weitere Möglichkeit des Nachjustierens ist ein Kreis für die Farbe der Beeren. Durch diese wenigen Eingriffsmöglichkeiten wer­ den die internen Parameter der komplexen Klassifikation automatisch angepasst. Diese einfache Bedienoberfläche ist über eine OPC UA­Schnittstelle, einem plattform­ unabhängigen Kommunikationsprotokoll für die Industrie 4.0, mit der eigentlichen Sortiersoftware verbunden. Bei Bedarf ist daher auch eine vernetzte Steuerung und Überwachung möglich. ANWENDUNG BEIM ENDKUNDEN Während der Weinlese 2020 konnte die neue Art der einfachen Bedienung auf mehreren Installationen bei verschiedenen Keltereien in Deutschland und Italien im realen Betrieb eingesetzt werden. Die Rück­ meldungen sowohl vom Integrator, den Betreibenden der Anlage als auch von den Bedienenden direkt an der Maschine waren durchweg positiv. Auch wenn eine»Einknopf­ bedienung« noch nicht gänzlich erreicht wurde, ist die hier vorgestellte Bedienober­ fläche ein großer Schritt in diese Richtung. 11 vis IT Smart Agriculture Abbildung 2: Laufend aktualisiertes Originalbild mit überlagerter Klassifizierung. auch in diesem NIR­Wellenlängenbereich emittiert. Auf diese Weise kann eine auto­ matische Trennung von Objekten ermög­ licht werden, die sich im VIS­Bereich kaum unterscheiden. Dies betrifft sowohl spezi­ elle Pilzkrankheiten als auch farblich ähn­ liche Pflanzenbestandteile, wie z. B. Blätter und Stängel. Insbesondere wegen des un­ sichtbaren NIR­Kanals kann die manuelle Anpassung von speziellen Sortierparame­ tern zu überraschenden und unerwünsch­ ten Sortierergebnissen führen. Um in diesem Einsatzgebiet dennoch erfolg­ reich einsetzbar zu sein, muss das Sortier­ system sowohl mit komplexen Algorithmen zur Klassifikation der gewünschten Wein- beeren ausgestattet sein als auch für Saison­ kräfte in kürzester Zeit einfach bedienbar sein. UMSETZUNG Für den Betrieb der Sortieranlage wird den Maschinenbedienenden jetzt nur noch eine einfache graphische Schablone angeboten. Diese ist in Abbildung 1 zu sehen. Damit lässt sich das benötigte Sortierrezept pas­ send zur Traubensorte auswählen, z. B. »Spätburgunder_Pinot_Noir«. Neben dem Start und Stopp der Inspektion sind nur wenige Schieberegler zur Optimierung der Sortierqualität verfügbar. Im Hintergrund läuft die komplette Auswertesoftware, die auch zum Einlernen benutzt wird. Als Ergeb­ nis wird dem Originalbild die Klassifikation der einzelnen Objekte als farbige Rähmchen überlagert, wie in Abbildung 2 zu sehen. Bei laufendem Betrieb, insbesondere am Be­ ginn einer neuen Charge, ist die Beurteilung des Sortierergebnisses durch einen erfah­ renen Menschen besonders wichtig. Eine graphische Darstellung des aussortierten Anteils über der Zeit dient dabei als Hilfe­ stellung (Abbildung 1, unten rechts). In unserem Beispiel ist das als »unreif« oder »unknown« im Sortierrezept eingelernt. Es ist nicht notwendig, persönliche subjektive Kriterien in komplexen Regeln oder gar Para­ metern auszudrücken. Stattdessen genügt es, interaktiv an den wenigen »Stellschrau­ ben« zu drehen, um das Ergebnis der laufenden Sortierung zu optimieren. Die Schieberegler für die Trennschärfe können im Bereich zwischen 0 und 100 bewegt werden. Der vom Sortierrezept vorgeschla­ gene Wert wird durch eine Markierung über jedem Schieber angezeigt. Damit ist sofort

ASTE« MIT HILFE NEUER integriert. Hierfür statten die Projektbeteilig­ ten einzelne Lebensmitteltransportbehälter mit integrierten Temperatur­, Feuchtigkeits­, Positions­ und Beschleunigungssensoren aus. Mit Hilfe der Temperatur­ und Feuch­ tigkeitsdaten können bessere Haltbarkeits­ Modelle für temperaturempfindliche Lebensmittel erstellt werden. Durch die Beschleunigungssensoren kann überprüft werden, ob druckempfindliche Lebensmittel unsachgemäß transportiert und somit mit hoher Wahrscheinlichkeit beschädigt wur­ den. Diese Modelle können an bestimmten Stationen, wie etwa vor der Verpackung und bei der Warenannahme, mit den Daten der spektralen Lebensmittelscanner ergänzt werden. Alle Daten sollen kontinuierlich in eine Cloud übertragen werden und so einen verbesserten Informationsfluss entlang der Lebensmittellieferkette schaffen. Dies kann allen Akteuren bessere, datenbasierte Entscheidungen ermöglichen und somit auch eine Reduktion von »Food Waste«. 1 https://ec.europa.eu/food/safety/food_waste_en 2 »FriDa – Frische Daten« ist ein Projekt mit Beteiligung des Fraunhofer IOSB, tsenso GmbH, Euro Pool System Int. (Deutschland) GmbH, Institut für angewandte Systemtechnik Bremen GmbH und der Universität Bonn. Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundes­ ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung. 13 vis IT Smart Agriculture Abbildung 2: Avocado­Bildaufnahmen im RGB­Wellenlängenbereich (oben) und im NIR­Wellenlängen­ bereich (unten). entwickeltes NIR­Spektrometer. Dieses wur­ de verwendet, um die Frische von Tomaten zu bestimmen. Neben solchen punktmessenden Spektro­ metern können auch Hyperspektralkameras zur Bestimmung der Lebensmittelqualität eingesetzt werden. Diese vereinen die Vorteile der ortsauflösenden Bildgewinnung mit denen der optischen Spektroskopie. Damit eignen sie sich besonders für inho­ mogene Lebensmittel. In Abbildung 2 sind Bilder von vier Avocados zu sehen, die mit einer Multispektralkamera aufgenommen wurden. Die beiden Avocados auf der rechten Seite sind überreif: Ihr Fruchtfleisch im Inneren ist stellenweise dunkel verfärbt, was auf dem NIR­Bild durch die Schale hindurch in der Form von dunklen Flecken sichtbar wird. Dies verdeutlicht, dass im NIR­ Wellenlängenbereich zusätzliche Informa­ tionen gewonnen werden können, die für normale RGB­Farbkameras und das mensch­ liche Auge nicht sichtbar sind. DATENFUSION IM PROJEKT »FRIDA – FRISCHE DATEN« Das Projekt »FriDa – Frische Daten«2 hat das Ziel, den Frischezustand von Lebensmitteln innerhalb der gesamten Lieferkette von der Ernte bis zum Verkauf digital abzubilden. Dabei werden die technischen Möglichkei­ ten der Industrie 4.0 in die Lebensmittel­ industrie übersetzt. Neben den vorgestellten spektralen Sensoren werden im Rahmen des Projekts noch wei­ tere Sensoren in die Lebensmittellieferkette

– MIT DESIGN THINKING schied zu denen vom Wochenmarkt zwar früh verfügbar, rot und preiswert, aber oft nicht wirklich süß. Im Sommer nähern sich dann die Merkmale beider Herkunft­Typen an. Das Fraunhofer Cluster of Excellence Cog­ nitive Internet Technologies (CCIT) fördert aktuell ein Projekt des Fraunhofer IOSB, in dem prototypisch mit einem Demonstrator der Nachweis erbracht werden soll, dass die Technologie als Anwendung im Handel funktioniert und die gewünschten Ergeb­ nisse bringen kann. Zum Einsatz kommen hierbei neben der klassischen RGB­Bild­ verarbeitung die Infrarot­Spektroskopie sowie, in Kooperation mit dem Fraunhofer IZFP, Radarsensorik. In einem ersten Schritt wurden hierfür verschiedene Früchte im Labor charakterisiert. Nachfolgend wurden KI­basierte Modelle aus den Messergebnis­ sen gebildet, die eine Indikation der kom­ plexen Produktmerkmale in Echtzeit ermög­ lichen. Die Ergebnisse sind vielversprechend und lassen einen erfolgreichen Test auf dem Markt erwarten. Ein wichtiger Bestandteil des prototypischen Demonstrators ist die Einbeziehung neu erhobener und gelabelter Daten, um die Auswertungsergebnisse weiter zu verbessern. Erst diese Daten zeigen umfänglich die präzisierende Wir­ kung selbstlernender Algorithmen in den erzielten Ergebnissen und Prognosen. Die Vorbereitungen für eine umfängliche Datenerfassung über die Vegetationsperiode hinaus und aus verschiedenen Herkunfts­ ländern laufen derzeit. Im Sinne der Inno­ vationsentwicklung haben wir unser Modell gemäß den Ideen des Design­Thinking­ Prozesses mit potentiellen Nutzenden und Plattformbetreibenden für kommerzielle IT­Systeme im Handel diskutiert und daraus konkreter werdende Ideen für die Anwen­ und erneut diskutiert. Plattformbetreibende können auf diese Weise erfassen, welche Daten benötigt werden und eine Anwen­ derin oder ein Anwender erkennt, welche Informationen sichtbar werden und wie Pain­Punkte durch die potentielle Lösung beseitigt werden. Die Kalkulation der not­ wendigen Aufwände ist dann ebenso nur ein nächster Schritt wie die Abschätzung zur Bewertung des erzielbaren Mehrwerts. Derzeit warten wir auf die Beauftragung zur Umsetzung des (an die IT angebunde­ nen) Prototypen beim Kunden. dung entwickelt. Schnell hat sich dabei ge­ zeigt, dass die Anbindung des Systems an die bestehende IT­Landschaft des Nutzen­ den (Handelnden) unbedingt notwendig ist. Nur so ist es möglich, Algorithmen zu testen und neue Daten hinreichend gut für die weitere Verwertung zu labeln. Ein weiterer wichtiger Baustein des Projekts: Um unsere Beobachtungen und Ideen ab­ zusichern, haben wir als Loop mehrere Workshops durchgeführt, bei denen Kun­ denwünsche erfasst und überprüft wurden. Herausgekommen sind die Eckpunkte einer Anwendung, welche neben Wünschen zur Funktionalität auch die zugrundeliegenden Pain­Punkte des potentiellen Kunden auf­ zeigen. Diese wurden dann in Form eines Mockups (Prototyp P.0) zusammengestellt Klick­Mock­Up zur Darstellung und Diskussion von möglichen Programmfunktionen. 15 vis IT Smart Agriculture