B S O I [ KI für Autonome Systeme und Assistenzanwendungen ] r e f o h n u a r F www.iosb.fraunhofer.de ISSN 1616-8240

Liebe Freunde des Fraunhofer IOSB, Editorial Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit in aller Munde. Dabei sind die praktischen Anwen- dungen weitaus vielfältiger, als es die mediale Berichterstattung, beispielsweise zu den Themen autonomes Fahren, Fake-Videos oder dem Google-Programm AlphaGo vermuten lässt. In den letzten Jahren hat KI jedenfalls einen deutlichen Entwicklungsschub erfahren. Ein großer Erfolg des Fraunhofer IOSB ist in diesem Zusammenhang das vom BMBF geförderte Kompetenzzentrum ROBDEKON. Schwerpunkt ist hier die Erforschung und Entwicklung von Autonomiefähigkeiten automatisierter Baumaschinen für Dekontami- nationsaufgaben. Auch wenn es darum geht, Muster in großen Datenmengen (Big Data) zu erkennen, kann KI nutzstiftend eingesetzt werden. Diese Mustererkennung kann z. B. dabei helfen, Fehler oder Anomalien in Stromnetzen frühzeitig zu erkennen oder das automatische Andocken eines autonomen Unterwasserfahrzeugs (AUV) an eine Dockingstation im Meer zu ermöglichen. Mustererkennung mittels KI hilft auch bei der öffentlichen Sicher- heit, indem etwa tätliche Übergriffe automatisch erkannt werden können. Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Beyerer Institutsleiter KI kann in vielen Fällen unterstützend eingesetzt werden, bspw. bei der Entscheidungs- findung. Wesentlich ist dabei, sich zugleich selbstbewusst als auch kritisch mit den Ergeb- nissen von KI auseinanderzusetzen, denn letztlich bleibt es dem Menschen als Entscheider vorbehalten, den Ergebnissen der Maschine zu folgen. Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Rauschenbach Fraunhofer IOSB Ilmenau Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre! Fraunhofer IOSB, im Juni 2019 Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Beyerer Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Rauschenbach Dr. Elisabeth Peinsipp-Byma Dr. Elisabeth Peinsipp-Byma vis IT 3 KI für Autonome Systeme und Assistenzanwendungen

nah praxistaugliche Systeme entwickelt werden, die Menschen entlasten und vor Gefährdungen schützen. Forschungsthemen in ROBDEKON sind u. a. mobile Roboter für unwegsames Gelände, autonome Baumaschinen, und multisensorielle 3D-Umgebungskartierung. Zudem versetzen Methoden der künst- lichen Intelligenz die Roboter in die Lage, zugewiesene Aufgaben autonom oder teil- autonom auszuführen. AUS- UND WEITERBILDUNGSANGEBOTE Neben der Entwicklung neuer Dekontamina- tionstechnologien hat sich das ROBDEKON- Konsortium ein hohes Engagement im Bereich der beruflichen Weiterbildung und universitären Lehre zum Ziel gesetzt. Ergänzend hierzu führt das Kompetenz- zentrum jährlich eine Partizipationsveran- staltung durch, in deren Rahmen externe Interessenten (z. B. Forschungsgruppen, Anwender, Experten) sich einbringen und die Arbeiten, Ergebnisse und Angebote des Kompetenzzentrums kennen lernen können. Die jährlichen Veranstaltungen haben unterschiedliche thematische Schwerpunkte und werden im Wechsel an den Standorten der Partner durchgeführt. Der Inhalt einer Partizipationsveranstaltung gliedert sich in drei Komponenten: Präsen- tation der wissenschaftlichen Arbeiten und Forschungsergebnisse des Kompetenz- zentrums, Fachbeiträge durch externe Experten und praktische Demonstrations- Abb. 1: Neue ROBDEKON-Laborhalle des Fraunhofer IOSB. workshops in den jeweiligen Partnerlabo- ren mit Technologiewettbewerben. Durch den Wettbewerbscharakter innerhalb der Anwendungsworkshops soll ein Vergleich verschiedener Methoden und Robotersys- teme aus der Forschung ermöglicht werden, wodurch eine intensivierte Problemdiskus- sion über die Grenzen des Kompetenz- zentrums hinaus gewährleistet werden soll. Hier sind alle Interessierten eingeladen, ihre Technologien mit denen des Kompetenz- zentrums zu verbinden. vis IT 5 KI für Autonome Systeme und Assistenzanwendungen

Die erarbeiteten Autonomiefunktionen, zu denen bspw. 3D-Umgebungserfassung, Lokalisierung und Bahnplanung zählen, lassen sich je nach Anwendung für den vollautonomen Betrieb des Robotersystems oder für Assistenzfunktionen zur Bediener- unterstützung an einem Leitstand einsetzen. Insbesondere bei der Sanierung von Altla- sten ist die teilautonome Fortbewegung in unstrukturiertem Gelände sowie die sich anschließende teilautonome Manipulation ein spannendes Forschungsfeld, für das das Institut aufgrund seiner Erfahrung in der mobilen Robotik hervorragend gerüstet ist. TECHNOLOGIEDEMONSTRATOR Eines der Ziele von ROBDEKON ist die Ent- wicklung von praxisnahen Technologie- demonstratoren, wobei am Fraunhofer IOSB das Abtragen kontaminierter Erd- schichten im Vordergrund steht. Für diesen Zweck wird eine schwere Baumaschine mit Autonomiefunktionen ertüchtigt: Geeignete Sensorik erlaubt zum einen eine robuste Regelung und zum anderen eine präzise Erfassung des Umfelds – beides notwen- dige Voraussetzungen für erfolgreiches autonomes Arbeiten. Das entwickelte Sensorkonzept für den Greifer beinhaltet die Erfassung seiner Drehung und Öffnung und wurde bereits prototypisch umgesetzt. Der Greifer ermög- licht eine Endlosrotation, was Auswirkungen sowohl auf den geeigneten Sensortyp als auch auf die Datenübertragung hat. Für die Erfassung der Drehung wurde ein Multi- Turn-Absolutencoder gewählt, da dieser auch Mehrfachdrehungen absolut erfassen kann. Für die Erfassung der Greiferöffnung wurde auf einen Seilzugsensor zurückge- griffen, welcher den Hub der antreibenden Hydraulikzylinder misst. Da das Drehgelenk der Greifer eine Endlosrotation erlaubt, jedoch keine elektrische Drehdurchführung hat, wurde für die Datenübertragung eine batteriebetriebene Funklösung mit integ- riertem Mikrocontroller und WLAN-Modul entwickelt und umgesetzt. Darüber hinaus wurde für die simultane Kartierung und Lokalisierung ein fort- schrittliches Sensorfusionskonzept entwi- ckelt und umgesetzt, welches Sensordaten beliebiger Modalität asynchron und in Echtzeit verarbeiten kann. Dadurch können alle Sensordaten unmittelbar verwendet werden, sobald sie am Fusionsknoten ver- fügbar sind. Dies gelingt ohne aufwändige Hardwarezeitsynchronisation der Sensor- komponenten. So wird die zur Verfügung stehende Information vollständig ausge- nutzt und probabilistisch korrekt interpre- tiert. Im Ergebnis resultiert daraus eine genauere und robustere Eigenbewegungs- schätzung und Lokalisierung. NEUE FAHRZEUGHALLE FÜR ROBDEKON Um eine optimale Laborinfrastruktur für hardwarenahe Arbeiten an mobilen Roboter- systemen im Rahmen von ROBDEKON zur Verfügung zu stellen, hat das Fraunhofer IOSB für diesen Zweck eine neue Labor- halle errichtet, welche im Rahmen der offi- ziellen ROBDEKON-Eröffnungsfeier offiziell ihrer Bestimmung zugeführt wurde. Diese ROBDEKON-Halle erlaubt es dem Institut, seine Aktivitäten im Bereich der mobilen Plattformen für menschenfeindliche Umge- bungen zu bündeln, und bietet ein ideales Entwicklungsumfeld für den gemeinsamen Aufbau partnerübergreifender Technologie- demonstratoren. ROBDEKON wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms »Forschung für die Zivile Sicherheit« gefördert. vis IT 7 KI für Autonome Systeme und Assistenzanwendungen

Abb. 1: Assistenzsystem ISR-Manager App(lication). Gruppen gewährleistet die situationsabhän- gige Adaption in dynamischen Szenarien. Weitere KI-basierte Systeme können die durch die Plattformen gewonnenen (sen- soriellen) Informationen durch Abgleich mit anderen, auch nichtsensoriellen Infor- mationsquellen verifizieren und weiter anreichern sowie darüber hinaus gehende Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen ableiten [3] (Abb. 2). Eine besondere wissen- schaftliche Herausforderung stellt gerade auch hier die durchdachte Kombination von Verfahren des maschinellen Lernens mit anderen Forschungsgebieten der KI (z. B. wissensbasierte Ansätze) dar. AUSBLICK Aufklärung und Überwachung werden zunehmend weiter von der Unterstützung Abb. 2: Beispiel für eine Komponente zur Integration von sensoriellen und nicht-sensoriellen Informationen in eine gemeinsame Wissensbasis, zum Schlussfolgern und zur Generierung höherwertiger Informationen. durch KI profitieren. Die endgültige Bewer- tung von Informationen sowie wichtige Entscheidungen werden dabei jedoch den Menschen überlassen bleiben. Transpa- renz und Erklärbarkeit von KI sind deshalb wesentliche Grundvoraussetzungen für die Eignung KI-basierter Unterstützungskompo- nenten und stellen wichtige Forschungsthe- men dar, welche am Fraunhofer IOSB adres- siert werden. Literatur: [1] Sander, J; Rodenbeck, R.; Reinert, F.; Müller, W.; Berude, K.: »Sensor Operation Deployment with Multiple Routes per Asset«, In: 21st International Conference on Information Fusion (FUSION), 2018, DOI: 10.23919/ICIF.2018.8455861 [2] Segor, F.; Tchouchenkov, I.; Buller, A.; Kollmann, M.; Müller, W.: »Controlling swarm complexity: a management by objective approach«. In: Proceedings SPIE Vol. 11015, Open Architec- ture / Open Business Model Net-Centric Systems and Defense Transformation 2018, 110150R, 2019, DOI: 10.1117/12.2518608 [3] Kuwertz, A.; Mühlenberg, D.; Sander, J.; Müller, W.: »Applying Knowledge-Based Reaso- ning for Information Fusion in Intelligence, Surveil- lance, and Reconnaissance«. In: Lee S., Ko H., Oh S. (Eds.), »Multisensor Fusion and Integration in the Wake of Big Data, Deep Learning and Cyber Physical System. MFI 2017«, Lecture Notes in Elec- trical Engineering, vol. 501, S. 119-139, Springer, 2018, DOI: 10.1007/978-3-319-90509-9_7 vis IT 9 KI für Autonome Systeme und Assistenzanwendungen

Tabelle 1: Übersicht untersuchter Klassifikatoren zur Fehleridentifikation und -lokalisierung. Die aus Phasormessungen gesammelten Informationen können je nach Einsatzgebiet sehr hohe Datenvolumen (mehrere GB am Tag) verursachen und sind über manuelle Auswertungsroutinen kaum beherrschbar. Mittels künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich diese Datenmengen effizient verarbeiten und automatisiert auswerten. Hierzu werden die Messsignale im Zeit- und Frequenzbereich analysiert: Unter Verwendung statistischer Kenngrößen und Verfahren zur Zeit-Frequenz- Transformation können charakteristische Muster erkannt und extrahiert werden. Auf Basis dieser identifizierten Muster können bestimmte Ereignisse im Netz (z. B. Leitungs- ausfälle, Kurzschlüsse) erkannt und dem Netzbetreiber als Information zur Verfügung gestellt werden. Dies betrifft die Erkennung von Unregelmäßigkeiten bzw. Anomalien sowie die Identifikation und Lokalisierung von Betriebsstörungen (z. B. Generator- und Leitungsausfälle). Hierzu werden im Vorfeld umfangreiche, dynamische Netz- simulationen für bestimmte Ausfallszenarien (engl.: contingencies) durchgeführt. Die daraus extrahierten Trainingsdaten werden zum Anlernen des KI-Verfahrens verwendet, welches in der anschließenden Anwendungs- phase auf Basis der Phasormessungen die Identifikation des Fehlertyps, die Lokalisie- rung des Fehlers im Netz und die Schätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit automatisiert und in Echtzeit vornimmt. Hierzu wurden am Fraunhofer IOSB-AST verschiedene Klassifikationsverfahren entwickelt und in mehreren Parameterstudien untersucht. Neben künstlichen neuronalen Netzen kamen hierbei auch weitere maschinelle Lernverfahren wie Support-Vektor-Maschi- nen oder Entscheidungsbäume zum Ein- satz. Eine entsprechende Übersicht zeigt Tabelle 1. Zur Bewertung der Klassifikatoren wurden verschiedene Tests auf Basis einer 10-fachen Kreuzvalidierung durchgeführt und die Klas- sifikationsgenauigkeit sowie die benötigte Berechnungszeit für eine Prädiktion ermittelt (Abb. 3). Zur weiteren Erhöhung der Effizienz bei der Datenverarbeitung könnten hierzu z. B. mehrere Netzbeobachter dezentral im Netz verteilt werden. Auch der Einsatz Digitaler Zwillinge in elektrischen Netzen wird aktuell untersucht und bietet erhebliches Entwick- lungspotenzial für neuartige KI-basierte Assistenzsysteme. Förderprojekt: DGCC DynaGridControlCenter (Kennzeichen: 03ET7541D) aus der Forschungsinitiative »Zukunfts- fähige Stromnetze« des BMWi sowie BMBF. Literatur: Brosinsky, Ch.; Kummerow, A.; Naumann, A.; Kronig, A.; Balischewski, S.; Westermann, D. (2017): A new development platform for the next generation of power system control center functionalities for hybrid AC-HVDC transmission systems. In: 2017 IEEE Power & Energy Society General Meeting. 16-20 July 2017. 2017 IEEE Power & Energy Society General Meeting (PESGM). Chicago, IL. Power & Energy Society; Institute of Electrical and Electronics Engineers; IEEE Power & Energy Society; IEEE Power & Energy Society General Meeting; IEEE PES General Meeting; PESGM; PES-GM. Piscataway, NJ: IEEE, S. 1-5 Kummerow, A.; Nicolai, S.; Bretschneider, P.: Ensemble approach for automated extraction of critical events from mixed historical PMU data sets. In: 2018 IEEE Power & Energy Society General Meeting (PESGM). Portland, OR, USA, S. 1-5 Kummerow, A.; Nicolai, S.; Bretschneider, P. (2018): Outlier Detection Methods for Unco- vering of Critical Events in Historical Phasor Measurement Records. In: E3S Web Conf. 64 (1), S. 8006. DOI: 10.1051/e3sconf/20186408006 Kummerow, A.; Nicolai, S.; Bretschneider, P.: Spatial and temporal PMU data compression for efficient data archiving in modern control centres. In: 2018 IEEE International Energy Conference (ENERGYCON). Limassol, Cyprus, S. 1-6 Abb. 3: Klassifikationsgenauigkeiten (links) und Ausführzeiten (rechts). 11 vis IT KI für Autonome Systeme und Assistenzanwendungen

teten am Fraunhofer IOSB schon vor ca. 10 Jahren (vgl. z. B. [3]). Die Fragen der Personendetektion und der Posenschät- zung werden unter Anwendung von KNN in einem Schritt beantwortet. versuchter oder gar vollzogener Totschlag stattfindet. In diesem Sinne wirkt es auf eine Weise präventiv, wie es konventionelle Videoüberwachungssysteme nicht leisten können. Um eine erfasste Person bzw. deren Pose zur Kontrolle zu visualisieren, wird in die Szene an entsprechender Stelle ein digi- tales Skelett (»Strichfigur«) projiziert. Durch diese Skelettierung kann man die Pose mit ca. 30 Parametern beschreiben. Im weiteren Verlauf soll die Pose bzw. die Posenabfolge bei aufeinanderfolgenden Bildern gemäß Aufgabenstellung klassifi- ziert werden: entweder als »don’t care« oder als »relevant«. Der zweite Fall deu- tet auf Posen oder Posenabfolgen hin, die typischerweise beim Schlagen oder Treten zu beobachten sind. Ein entsprechender Hinweis (sowie die ggf. noch durchzufüh- rende Klarsichtschaltung bei ansonsten ver- pixeltem Bild) kann also innerhalb kürzester Zeit (Sekunden oder Bruchteile davon) für den Videobeobachter generiert werden. Die Strafverfolgungsbehörden erhoffen sich durch diese Hinweise wesentlich frühere Interventionszeiten. Tatsächlich wird durch den Systemansatz zwar nicht der erste Schlag, also die Körperverletzung verhindert, ggf. jedoch der weitere, eskalie- rende Verlauf. Das System ermöglich es Polizisten in Situationen einzugreifen, bevor eine schwere Körperverletzung oder ein Das Erfassungsszenar bezieht sich natürlich nicht nur auf eine Kamera. Hat der Video- beobachter eine Situation als »relevant« verifiziert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet, beginnt eine Phase der Inter- vention und damit der Repression. Im repressiven Fall sind weitergehende Mög- lichkeiten, auch digitaler Art, möglich. So sollen die an einem tätlichen Übergriff Beteiligten technisch »verfolgt« werden. Das kann speziell dann eingesetzt werden, wenn der Übergriffige sich vom Ort des Geschehens entfernt und damit auch den Erfassungsbereich der Kamera verlässt. Diese digitale »Verfolgung« (Tracking) der Zielperson benötigt wiederum eigene Aus- werteverfahren. Insbesondere ist die Person beim Eintritt in den Erfassungsbereich einer anderen Kamera wiederzuerkennen. Diese Wiedererkennung basiert auf soft-biomet- rischen Merkmalen (hier: Erscheinungsbild). Entsprechende Arbeiten werden im Hause intensiv verfolgt, damit man die Zielper- sonen auch aus unterschiedlichen Ansichts- winkeln, idealerweise auch von hinten, mit einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit wiedererkennt [4]. Literatur: [1] Pietsch, K. und Müller, M.: »Projekt „Video- überwachung Mannheim 2017“«, pvt – Polizei, Verkehr + Technik, Heft 2, 2019 [2] Kaiser, O.: »Das System ist keine moralische Instanz«, Rhein-Neckar-Zeitung, 17.05.2019 [3] Müller, J.; Arens, M.: »Human pose estimation with implicit shape models«, ARTEMIS ’10 Procee- dings of the first ACM international workshop on Analysis and retrieval of tracked events and motion in imagery streams, pp. 9-14, 2010 [4] Schumann, A.; Stiefelhagen, R.: »Person Re-Identification by Deep Learning Attribute- Complementary Information«, IEEE Conference on Computer Vision and Pattern Recognition (CVPR), 2017 13 vis IT KI für Autonome Systeme und Assistenzanwendungen

Abb. 2: Beispiele für Objektdetektion und Lokalisierung. Schattierung sehr schwierig. Zusätzlich sind die Daten oft nur Querschnitte der Objekte. ANALYSE DER EIGENSCHAFTEN VON FLS-DATEN IM RAHMEN DER OBJEKT- ERKENNUNG Ein FLS kann auch bei niedrigen oder Null- Sichtverhältnissen die Abbildung von Unter- wasserumgebungen ermöglichen. Seine Dateninterpretation und -analyse ist jedoch nach wie vor eine Herausforderung, wie in Abbildung 1 zu sehen ist. Die Bestimmung der Schwellenparameter P und D für eine robuste Objektdiskriminierung ist sehr schwierig bis zu unmöglich. Werden die Parameter zu groß gewählt, können Pixel getrennt werden, die zu einem einzigen Objekt gehören; wählt man sie zu klein, werden mehrere Objekte zu einem verbun- den und eine Objektdiskriminierung ist nicht mehr gegeben. Dadurch sind auch traditio- nelle Methoden basierend auf der Pipeline (Daten à Merkmalbildung à Lernalgo- rithmus à Output) für diese Problemstel- lung nicht robust genug und nicht ohne weiteres anwendbar. EINBLICK IN DEEP LEARNING (DeepL) ALGORITHMEN FÜR DIE OBJEKT- ERKENNUNG Deep Learning (DeepL) Ansätze für die Objekterkennung in Sonarbilder stehen in ihrer Entwicklung noch ganz am Anfang, vor allem aufgrund der Knappheit der Daten, die in der Trainingsphase benötigt werden. Im Gegensatz zu den reichlich und öffentlich verfügbaren optischen Bildern, sind Unterwasserbilder oft nur preisintensiv zu beschaffen oder müssen zeitaufwendig selbst erstellt werden. DeepL-Algorithmen sind sowohl für optische als auch für Sonardaten geeignet, weil sie lernen, ein Bild in einen Feature-Vektor umzuwandeln. Das bedeutet, dass sie Bilder anhand von Merkmalen erkennen können – ähnlich der menschlichen Wahrnehmung. Es gibt mehrere Ansätze zur Objekterken- nung, z. B. das Faster RCNN und Single Shot Multibox Detector (SSD). Oft werden DeepL Algorithmen traditionell verwendet, indem die Merkmalbildung durch ein Convolu- tional Neural Network (CNN) erfolgt. Dies hat den Nachteil, dass die Merkmale von einem Domänenexperten identifiziert wer- den müssen. Damit die Lernalgorithmen funktionieren, muss ein Mensch die Kom- plexität der Daten reduzieren und Muster sichtbar machen. Deep-Algorithmen versu- chen automatisch, »High-Level-Features« aus Daten inkrementell zu lernen. Wir nut- zen DeepL in einer »End-to-End«-Manier (Daten à Lernalgorithm à Output), um die Einschränkungen des traditionellen Ansatzes zu überwinden – Voraussetzung dafür sind allerdings große Datenmengen. METHODIK UND ERGEBNISSE Unser erster Versuch mit der Objekt- erkennung in Sonarbildern eines FLS am Fraunhofer IOSB-AST zeigte vielverspre- chende Ergebnisse. Wir haben dafür die TensorFlow-Objekterkennungs-API ver- wendet. Hierbei handelt es sich um ein auf TensorFlow basierendes Open-Source- Framework, das das Erstellen, Trainieren und Bereitstellen von Objekterkennungs- modellen vereinfacht und eine Sammlung von Erkennungsmodellen verfügbar macht, die auf verschiedenen Datensätzen vorge- lernt wurden. Eines der vielen Erkennungs- modelle ist die Kombination aus SSDs und MobileNets-Architekturen, die schnell und effizient sind und keine großen Rechen- leistungen erfordern, um die Objekterken- nungsaufgabe auszuführen. Modelle von Grund auf neu zu trainieren ist ein sehr rechenintensiver Prozess, der Tage oder sogar Wochen in Anspruch nehmen kann. Dafür wurde am Fraunhofer IOSB-AST das »Transfer learning« durchgeführt und vorgefertigte und vortrainierte Modelle ver- wendet. Daten wurden über ein bestücktes Unterwasserfahrzeug per FLS erfasst, indem das Fahrzeug von verschiedenen Startpositi- onen zur Dockingstation fuhr. Danach wur- den 200 repräsentative Frames ausgewählt, markiert und für die Anpassung der vortrai- nierten Modelle verwendet. Der Rest der Frames diente zur Validierung. Nach dem Training haben wir den neu trainierten Objektdetektor verwendet und exemplarisch die in Abbildung 2 darge- stellten Ergebnisse erzielt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Andockstation in der mit einem grünen Rechteck markierten Region mit 99 Prozent Wahrscheinlichkeit erkannt wurde. Die Weiterverarbeitung gibt die exakte Position der Andockstation und die 2D-Ausrichtung an, die durch das rote Dreieck gekennzeichnet ist. Um das Problem der geringen Datenbasis anzugehen, wurde folgende Vorgehensweise präferiert: Daten à Stilübertragung à Bildmanipulation à Output. Ein Sonarframe erfährt zufällig Stilübertragung und Bildmanipulation (Rotation, Translation, Verzerrung und Skalierung) – auf diese Weise kann künstlich aus den vorhandenen Daten ein Vielfaches der Datenmenge generiert werden. Das Projekt wird im Rahmen des Forschungs- auftrages von Kraken Robotics Inc. durch- geführt. Der Prototyp des Objektdetektors wird voraussichtlich Ende 2019 in der Praxis getestet. 15 vis IT KI für Autonome Systeme und Assistenzanwendungen