Erst wenn das letzte Werkstück eines Loses bearbeitet ist, werden alle Teile des Loses zur nächsten Verrichtung transportiert. Die Feinplanung erfolgt meist im Nachgang zu einer MRP II-Planung (Manufacturing Res- source Planning), deren Ergebnisse termi- nierte Fertigungsaufträge sind. Kurzfristige Reaktionen auf Änderungen in der Ferti- gung sind in der Feinplanung heute kaum möglich. Der Grad der Autonomie ist gering, da die Fertigung den durch einen Feinpla- nungsalgorithmus automatisch berechneten oder durch einen Disponenten manuell angepassten Plan ausführen muss. Mit dem Aufkommen der »Lean Production« in den 1990er Jahren setzte sich das Prinzip der Pull-Steuerung vielfach in Fertigungs- betrieben durch. Sein charakteristisches Kennzeichen ist, dass nur gefertigt wird, wenn ein echter Kundenbedarf vorliegt. Losgrößen werden auf Tageslose herunter- gebrochen. Die produzierende Stelle erhält ein Signal, welche Teile in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt bei der verbrauchen- den Stelle benötigt werden. Dieses Prinzip wird auch als KANBAN-Prinzip bezeichnet. In der Forschung existieren seit einiger Zeit Arbeiten zur Modularisierung und Flexibili- sierung von Fertigungsstrukturen. Kernidee ist es, statt spezialisierter Produktionsein- richtungen, die teilweise eine eigene Infra- struktur erfordern, z. B. Einschienenhänge- bahnen und Schubpalettenförderer, eher universell nutzbare Maschinen und Anlagen zu installieren und auf Spezialeinbauten im Hallenboden oder in einer Fördertechnik- ebene zu verzichten. Die universell nutzba- ren Produktionsanlagen werden vielmehr für eine bestimmte Aufgabe konfiguriert und können bei Bedarf schnell für neue oder geänderte Aufgaben umkonfiguriert werden. Dies erfordert natürlich wand- lungsfähige »Hardware«, z. B. Roboter und Manipulatoren, vor allem aber auch geeig- neter Software, Steuerungs- und Kommu- nikationstechnik. Dieses Prinzip ist von ein- zelnen Linien auf ganze Fertigungsstätten übertragbar. Eines der bekanntesten Bei- spiele ist die mehrfach ausgezeichnete Fabrik von SEW Eurodrive in Graben-Neudorf, in der das komplette Layout und selbst bis- lang als nicht teilbar geltende Ressourcen wie Lackieranlagen modularisiert wurden. Am Fraunhofer IOSB ist die für eine Selbst- organisation erforderliche Kommunikati- onstechnik und Algorithmik heute schon vorhanden: Die verfügbaren Werkzeuge ermöglichen das Prinzip der Selbstorgani- sation durch verteilte Planung. Basis ist ein Modellierungsansatz, der nahtlos von der detaillierten Abbildung physikalischer Pro- zesse bis hin zu Lieferbeziehungen zwischen Unternehmen skaliert. Für zu modellierende Szenarien nutzen wir einen Algorithmus zur Optimierung sequentieller Entscheidungen. Der Algorithmus verbindet Techniken für die kombinatorische und die kontinuierliche Optimierung: Je nach Szenario kann der Algorithmus kombinatorische Fertigungs- feinplanung (Scheduling) vornehmen oder weltweite Lieferbeziehungen unter Einbe- zug von Unsicherheiten und Risiken opti- mieren. Auch verteilte Entscheidungen sind möglich: Jeder teilnehmende Agent hat einen lokalen Handlungsraum, in dem er den Systemzustand beobachten und han- delnd eingreifen kann. Die Agenten handeln kooperativ. Sie sind also an der Maximie- rung des Gesamtnutzens über alle Agenten hinweg interessiert. Die verteilte Planung zur Nutzenmaximierung über unabhängige Agenten hinweg wird mittels des eigens entwickelten Verfahrens zur sogenannten Nutzenpropagation gelöst. Dieses ist an die erfolgreichen Prinzipien der »Belief Pro- pagation« Verfahren angelehnt [4]. In dem Zusammenhang bietet das Fraunhofer IOSB Beratungs-, Spezifikations- und konkrete Implementierungsleistungen für die selbst- organisierende Produktion an. Literatur [1] acatech (Hrsg.): Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 – Abschluss- bericht des Arbeitskreises Industrie 4.0, April 2013. [2] Sauer, O.; Sutschet, G.: Production Monito- ring linked to object identification and tracking – a step towards real time manufacturing in auto- motive plants. In: Teti, R. (Ed.): Proceedings of the 5th CIRP International Seminar on Intelligent Com- putation in Manufacturing Engineering, Ischia (Italy): 2006, pp. 321-326. [3] Bussmann, S.; Schild, K.: Self-Organizing Manufacturing Control: An Industrial Applica- tion of Agent Technology. In Proc. of the 4th Int. Conf. on Multi-agent Systems (IC-MAS'2000), Boston, MA, USA, 2000, pp. 87-94. [4] Pfrommer, J.: Distributed Planning for Self- Organizing Production Systems. Dissertation KIT, Juli 2019. 15 vis IT Industrial IoT und Edge Computing